Avatare - ein Chat-Oratorium

von László Bagossy und dem Ensemble |
Regie: László Bagossy

»Avatara«: im Indischen die Verkörperung eines Gottes auf Erden. Aber verkürzt als »Avatar« auch das Alter Ego eines Users im virtuellen Raum. Wir spiegeln auf der Bühne die Wahrheit hinter virtuellen Realitäten wieder, die letztendlich eigentlich auf Lügen basieren. Denn aus Identitäten werden im World Wide Web Phantome. Die von Avataren bevölkerten Foren, Chatrooms und Cybercommunities zeugen davon, gesteuert von ihren vereinsamten körperlichen »Entsprechungen« an den Tastaturen.

Das ist der Ausgangpunkt für unser experimentelles Theaterprojekt »Avatare – ein Chat-Oratorium«. 20 Akteure – quer durch die gesellschaftlichen Schichten – begeben sich auf der Bühne in Chat-Situationen und die Zuschauer erleben hautnah die Diskrepanz zwischen den realen Persönlichkeiten und deren fiktionalen Abbildungen. So entsteht ein fast oratorischer Theaterabend voller Dramatik, Witz und Melancholie.

Uraufführung am Freitag, dem 28. Juli 2006.

Kritiken

Esslinger Zeitung | 2.8.2006

Das Absurde im Zeitgenössischen

»Ein Chat-Oratorium nennt es der ungarische Theatermacher, und tatsächlich ist das, was Bagossy in ähnlicher Form und mit einem anderen Ensemble bereits in Budapest auf die Bühne brachte, eine Art Oratorium: Die Verdichtung und konzertante Aufführung von Texten, wie sie alltäglich durchs Internet schwirren. Auch in seiner Stuttgarter Version hat Bagossy ›Avatare‹ aus ausgiebigen Surf-Exkursionen im Netz und anschließenden Improvisationen mit dem Ensemble destilliert…

In insgesamt 19 Bildern gruppieren sie sich in immer wieder neuen Anordnungen auf dem Publikum wie ein Spiegel gegenübergestellten Stuhlreihen. Sie sitzen in Alltagskleidung da, die Hände halb meditativ, halb stabilisierend auf die Knie gelegt, den Blick starr geradeaus gerichtet. So sagen sie ihre Sätze und sprechen doch nie wirklich miteinander.

Doch im Gegensatz zum Chatroom-Nonsens führt die montierte multiple Simultankommunikation auf der Bühne zu einem grotesken Textpuzzle, das virtuos mit Referenzen und Mehrdeutigkeiten spielt. Effektvoll auch, wenn hinter englischen Grußfloskeln, Computerbefehlen und weltläufig dahingestreutem Fachwissen der ›Avatare‹ – so heißen die künstlichen Existenzen, die sich Internetnutzer in der Anonymität schaffen – unsichere, einsame Menschen hervorscheinen, keine ›Götter in Menschengestalt‹, was das Wort aus dem Sanskrit ursprünglich bedeutet. Gleichzeitig lenkt eine Fülle origineller Umsetzungsideen den Blick aufs Absurde im Zeitgenössischen.«

Inge Bäuerle