Basta! Helblings Geschichte

Basta! Helblings Geschichte

von Robert Walser |
Regie: Edith Koerber

Kaiser, Könige und Kardinäle sind nicht die Figuren, die Robert Walser interessierten. Eher schon kleine Leute wie du und ich. Angestellte mit ihren bescheidenen Lebensentwürfen und mitunter etwas kleingeistigen Träumen. Robert Walsers Kunst aber ist, dass er jegliche Arroganz gegenüber seinen Figuren vermied und sie trotz ihrer Einfachheit mit Tiefgang und philosophischer Schärfe ausstattete. Darüberhinaus zeichnet die Texte Walsers eine gesunde Portion grotesker Humor aus, und das macht seine Literatur auf eine sehr intelligente Art unterhaltsam.

Zitate aus den Vorlagen: »Viel Kopfzerbrechen ist nicht meine Sache, denn wer viel denkt, dem tut der Kopf weh, und Kopfweh ist vollständig überflüssig. Schlafen und Schnarchen ist besser als Kopfzerbrechen, und ein Glas Bier in aller Vernunft ist weitaus besser als Dichten und Denken.« (Soundso). »Ich habe stets die Empfindung, dass an mir etwas Kostbares, Empfindsames und Leichtzerbrechliches ist, das geschont werden muss, und halte die andern für lange nicht so kostbar und feinfühlig. Wieso das nur kommen mag? Es ist gerade, als wäre man zu wenig grob geschnitzt für dieses Leben.« (Helbling).

Uraufführung am Mittwoch, dem 5. April 2000.
Die Aufführungsrechte liegen bei der Carl Seelig Stiftung in Zürich.

Kritiken

Südwestdeutscher Rundfunk | 6.4.2000

Studie der Unsicherheit

»Drei typische Walser-Figuren treten auf. Die beiden ersten namenlos: ›Sie, etwas nervös‹, gespielt von Edith Koerber, die auch für die dramatische Fassung und die Inszenierung zeichnet… Eine Studie der Unsicherheit. Koerber zeigt schön die ersten Risse im Selbstwertgefühl, der achtbare, leicht komische Versuch, das Wegbröckeln des Lebens durch Selbstüberredung aufzuhalten. Koerber im Fernsehen, Garderobenbilder, tri-bühne-Gänge, dann live auf der Bühne. ›Nervös‹ ist Walser sensible Diagnose des beginnenden Zerfalls.

Mitten unter den Zuschauern fühlt sich der nächste wohl. ›Ich heiße so und so und denke nicht viel‹, sagt Robert Atzlinger. Man sieht ihm vergnügt zu wie einem, den die Kamera ertappt hat. Irritiert, verlegen zuerst, dann mehr und mehr seine Rolle genießend, denn schließlich hat er etwas zu sagen… Auch das eine köstliche Walser-Studie über Stammtisch-Stumpfsinn… Und nachdem Atzlinger sich so richtig in Rage geredet hat, ein kleiner, sauberer, netter, mieser Demagoge, sagt er ›basta!‹ und setzt sich wieder.

Auch Sommerfeld versteht es, Walsers karikaturenscharfe Sprache in gelungene Gesten, in mimische Momentaufnahmen zu verwandeln. Sein Helbling scheint so sympatisch, so schwiegersohngeeignet – bis der liebenswürdige Junge sich Wort für Wort als eitler Schmarotzer entpuppt, der sich – schönes Bild – seine eigene Schlinge knüpft.«

Winfried Roesner
Stuttgarter Nachrichten | 6.4.2000

Kühnes Experiment

»Edith Koerber hat mit der Uraufführung von ›Basta! Helblings Geschichte!‹, einer Collage aus Texten von Robert Walser, ein kühnes und nachdenklich stimmendes Experiment gewagt. Der Abend beginnt mit Meldungen aus der Tagesschau… Dann aber richtet sich der Blick unversehens auf drei Schwätzer: Das ist der Mensch! Drei unbedeutende Facetten der Anonymisierung, der Vereinsamung, der Machtlosigkeit in einer eiskalten Welt…

Ein ungewöhnlicher Theaterabend, der mit starken Schauspielern an einen Autor erinnert, der uns näher steht, als wir ahnen.«

Hanna Mainzer
Stuttgarter Zeitung | 6.4.2000

Zart und lyrisch

»Für Schauspieler ist dieser monologische Charakter des Werks eine Versuchung. Die Texte bieten ihnen Gelegenheit, die Traumwelt auf dem Papier nach außen treten zu lassen und dabei all ihre Kunst zu zeigen. Die Bewegungen, die im innersten Herzen des kleinen Mannes vor sich gehen, wenn er sich so wichtig nimmt, sogar das Vorhaben, eine ›Selbstbiographie‹ zu schreiben, treten nun auf’s Gesicht…

Den drei Darstellern der drei verschiedenen Geschichten in der Stuttgarter tri-bühne, also ›Helbling‹, ›Herr Soundso‹ und ›Sie, etwas nervös‹, gelingt allerdings in der Regie von Edith Koerber das perfekte Walser-Gesicht: ebenso gelingt ihnen die Figur des kleinen Mannes…

Die Blässe lässt die Gesichter zu Masken werden, durch die sich die Pantomime schüchtern und mühsam, aber desto eindrucksvoller hindurcharbeitet. Gleichzeitig ist der Ausdruck aber auch zart und lyrisch, so dass die verletzliche Seele sichtbar wird.«

Hannelore Schlaffer