Das Geschöpf
Der absolut gesetzestreue Staatsbürger Albert Richwick, Besitzer eines Landgutes in der englischen Provinz, findet eines Abends – während einer Fuchsjagd im nahen Wald – im Gebüsch vor seinem Haus eine schöne, aber nackte Frau, die zudem Spuren von Gewaltanwendung an ihrem Körper aufweist. Weil die Frau nicht nur auffallend schön, sondern auch noch auffallend ohnmächtig ist, muß Albert Richwick handeln, und zwar rasch. Kann er, mit der Frau auf dem Arm, bei der Familie seines Hausverwalters anklopfen und sie um warme Kleider und um einen heißen Tee bitten? Schon, wenn er Zustand und Identität der delikaten »Fundsache« glaubhaft erklären könnte. Da er das nicht einmal ansatzweise kann, schmuggelt er sie in seine Wohnung. Und da beginnen seine haarsträubenden Abenteuer mit der »Füchsin«.
Der Tod einer Füchsin am Ende einer Hetzjagd ist die Geburt eines Menschen. Eine Verwandlung? Ein Wunder? Möglicherweise. Vielleicht handelt es sich auch nur um einen Zufall: eine fast schon zu Tode gehetzte Füchsin entkommt und an ihrer Stelle wird eine Frau, eine Art weiblicher Caspar Hauser, gefunden.
Aber dieser märchenhafter Anfang ist nicht das eigentliche Thema des Stückes. Das Thema ist die menschliche Evolution, die ihre komischen und dramatischen Seiten hat und die Frage aufwirft, ob sie nicht in einer Tragödie endet. Die Entwicklung einer schönen Frau vom Tier zum Homo Sapiens ist eine gute Gelegenheit zu verfolgen: wo hört die animalische Existenz auf und wo beginnt der Mensch? Die wichtigste Frage kann aber nur der Zuschauer beantworten: Lohnt es sich? In Kenntnis unserer Vergangenheit und Gegenwart, in Ahnung unserer Zukunft: Können wir einem Tier empfehlen, Mensch zu werden?
Uraufführung am Freitag, dem 17. Januar 1997.