Der einsame Westen

Der einsame Westen

von Martin McDonagh |
Regie: Edith Koerber

Die Akteure haben wenig Chancen, in den Himmel zu kommen, aber selbst das bisschen Glück auf Erden erscheint unerreichbar. Der Schauplatz ihres Lebens scheint weniger ein irisches Dorf, als die Vorhölle zu sein. Eine Tragödie!

Folgerichtig hat Martin McDonagh, ein britischer Autor mit irischen Wurzeln, eine Komödie geschrieben, die zu der Erkenntnis führen kann: Die Chancen auf das Paradies im Jenseits setzen offensichtlich Bemühungen um das Glück auf Erden voraus. Und sie funktionieren nur, wenn sie gemeinsam unternommen werden.

Ob die verzweifelten, komischen, tragischen und absurden Versuche von Coleman und Valene Connor von Erfolg gekrönt sind, die tief verschüttete Bruderliebe ans Licht zu bringen, wird hier nicht verraten. Allerdings, erschwerend für die Brüder: Es strömt eine Menge hochprozentiger Kartoffelschnaps durch die Adern und vernebelt Sinne wie Verstand. Es sei Pater Welshs flehentliches Bitten an die Connors zitiert: »Könnt ihr es miteinander nicht wenigstens versuchen, mal ehrlich? Und wenn es nicht klappt, dann klappt es nicht, aber wenigstens könnt ihr sagen, daß ihr es versucht habt.«

Premiere am Freitag, dem 24. September 2004.
Aufführungsrechte bei Hartmann & Stauffacher GmbH, Verlage für Bühne, Film, Funk und Fernsehen, Köln.

Kritiken

Esslinger Zeitung | 27.9.2004

Konsequent portraitiert

»Jetzt feierte die so psychologisch scharfsinnige wie sprachlich derbe Tragikomödie des 34-jährigen Londoner Dramatikers irischer Abstammung in der Inszenierung von Edith Koerber an der Tribühne Premiere. Gerade erst ist der durch einen sich versehentlich gelösten Schuss zu Tode gekommene Vater beerdigt, da haben sich die Brüder Coleman und Valene bereits wieder in der Wolle. Mal ist Geld der Zankapfel, mal sind es Chips oder der reichlich fließende schwarzgebrannte Whisky-ein Grund zum Streiten findet sich für das ungleiche Gespann immer… McDonagh erzählt die Geschichte der sich abgrundtief hassenden Brüder in bodenständig bis vulgären Dialogen, durchsetzt von versteckten religiösen und literarischen Zitaten. Nonchalant eingeflochtene absurde Momente bilden dabei ein wohltuend humoristisches Gegengewicht zur geradezu diabolischen Grausamkeit der Gebrüder Connor…

Die zu Ende des Stücks in einem religiös anmutenden Spiel des ›Bereuens und Verzeihens‹ vorgebrachten Geständnisse vermag jedoch auch galliger Humor nur noch sehr dürftig zu kaschieren: In Valene und Coleman schlummern Monster. Edith Koerber porträtiert die ins Mark gehende Grausamkeit konsequent mit der nötigen Härte… Brennender Hass und rohe Gewalt schwappen ein ums andere Mal über die Bühne und begraben unter sich die raren menschlichen Akzente, die Pater Welshs vage Versöhnungshoffnungen und die frische Natürlichkeit des Schulmädchens Girleen Kellehrer setzen. Es ist das Verdienst der Stuttgarter Inszenierung, diese zarte Hoffnung gegen die Übermacht des Grauens zu behaupten.«

Albrecht Schächterle