Die Zuckerfrau

von Liz Kuti |
Regie: Edith Koerber
Deutschsprachig (englische Sequenzen mit deutschen Untertiteln)

Dublin 1850 – Hannah ist hin- und hergerissen zwischen ihrem Engagement in den Armenhäusern der Stadt und den aufblühenden Geschäften ihres Ehemannes Samuel: einer Kette orientalischer Teehäuser. Ihre neuen Gäste, Alfred, ein englischer Philanthrop, und Sarah, eine befreite Sklavin, befinden sich auf einer Vortragsreise über die menschenverachtenden Bedingungen der Sklavenhaltergesellschaft im Süden der Vereinigten Staaten. Der Besuch beginnt mit den besten Absichten – aber dramatische Ereignisse lassen die Fassaden der vier Charaktere bröckeln und es wird zunehmend schwierig für sie, an ihren hohen Idealen festzuhalten.

Ausgesprochen fesselnd und mit einem scharfen politischen Blick beschreibt die Engländerin Liz Kuti in ihrer Parabel auf die Schattenseite der Globalisierung das Dilemma der modernen Menschen in den Industrienationen, deren relativ komfortable Existenz auf der Ausbeutung der 2. und 3. Welt basiert.

Die Inszenierung ist eine Koproduktion zwischen dem Theater tri-bühne und dem Teatro Avenida/Maputo. Lucrécia Paco ist eine der bekanntesten Schauspielerinnen in Mosambik, sie spielt die Titelrolle. Die Koproduktion ist die zweite einer langfristig geplanten Reihe zwischen den beiden Theatern. Das Teatro Avenida wird von Manuela Soeiro geleitet – künstlerisch maßgeblich beteiligt ist der schwedische Bestsellerautor Henning Mankell.

Deutschsprachige Erstaufführung am 17. November 2006 im Rahmen des 8. SETT (Stuttgarter Europa Theater Treffen) 2006.
Die Aufführungsrechte liegen bei The Agency, London.

Kritiken

Stuttgarter Nachrichten | 20.11.2006

Packendes Psychogramm

»In ihrem zur Eröffnung des achten Stuttgarter Europa-Theater-Treffens 2006 als deutschsprachige Erstaufführung gezeigten Stück ›Die Zuckerfrau‹ nutzt die englische Dramatikerin Liz Kuti das Dublin des Jahres 1850 als Folie für eine ebenso kluge wie dialogstarke Bühnenreflexion über das Rädchen Mensch im Getriebe der Globalisierung. Für die Koproduktion zwischen der tri-bühne und dem Teatro Avenida aus Maputo verdichtete Edith Koerber mit ihrem präzise agierenden Darstellerquintett die über zwanzig Szenen zum packenden Psychogramm der Diskrepanz zwischen missionarischem Eifer, das Gute in der Welt zu verbreiten, und dem Drang, egoistische Bedürfnisse zu befriedigen.«

Horst Lohr
Südwestpresse | 20.11.2006

Die Unentwirrbarkeit von Politik und Privatem

»Lucrécia Paco vom Teatro Avenida (Maputo) spielt Sarah Worth und bringt in diese Rolle auch ihre Identität und Sprache mit ein… Paco verleiht ihrer Vortragsreisenden Sarah das Format einer wortgewaltigen Rednerin, die in charismatischen Kanzelpredigten von todbringenden Kolonisatoren und von bestechlichen Häuptlingen erzählt.

Doch der Plot hat noch eine andere Dimension: Regisseurin Edith Koerber erzählt Liz Kutis Geschichte auch als psychologisches Kammerspiel… So entfaltet Koerbers Regie bis in feinste Verästelungen hinein die Unentwirrbarkeit von Politik und Privatem – ohne besserwisserischen Tonfall.«

Otto Paul Burkhardt