Komödie aus dem bürgerlichen Heldenleben: Der Snob

Komödie aus dem bürgerlichen Heldenleben: Der Snob

von Carl Sternheim |
Regie: Edith Koerber

Mit dieser Inszenierung wird der Zyklus »Komödien aus dem bürgerlichen Heldenleben« von Carl Sternheim fortgesetzt. Wer »Die Hose« und »1913« gesehen hat, wird gespannt sein auf eine weitere Begebenheit aus dem Leben der Familie Maske. Diesmal steht Christian, Theobald Maskes Sohn, im Mittelpunkt.
Christians Lebensinhalt ist seine Karriere, die ihn hinaus aus der Bürgerlichkeit und hinein in den erlauchten Kreis des Adels führen soll. Menschliche Beziehungen zählen für ihn nur insofern sie ihm nützlich oder hinderlich sind auf dem Weg nach oben. Menschen sind freilich bedeutend komplizierter als buchhaltärische Vorgänge, so daß Christians Manöver zu scheitern drohen. Allerdings wäre er kein echter Maske, wenn er nicht doch mit Hilfe von haarsträubenden Schachzügen ans Ziel gelangen würde…

Premiere am Samstag, dem 27. September 2003.
Die Aufführungsrechte liegen beim VERLAG FELIX BLOCH ERBEN, Berlin.

Kritiken

Stuttgarter Zeitung | 29.9.2003

Komische Verzweiflung

»Sternheims Stück wäre bereits komisch, wenn man es bloß vom Blatt spielen ließe. Edith Koerber, die den ›Snob‹ jetzt für das Theater Tri-Bühne im Theaterhaus inszenierte, tut das nicht… Koerbers vergnügliche Inszenierung überzeichnet die Figuren kräftig und lässt manche Passagen gar volksstückhaft burlesk ausspielen. Gerade dadurch gewinnt dieser Abend an Kraft.

Hier wird nicht nur gesprochen, sondern es ist viel zu sehen, sprechende und witzige Details in Gestik und Mimik. Christian Maske schaut aus wie ein Klappmesser, wenn er sich peinlich tief vor dem Grafen verbeugt. Grandios die Szene mit dem Grafen und seiner Tochter. Lasziv streichelt das Komtesschen (Julia Bardosch) seine Hüften, und der Papa massiert mit Hingabe den Unterschenkel des Töchterchens. Edith Koerber zeigt ganz unbefangen die Sexsüchte, die in den Figuren brodeln. Immer wieder scheint Freud durch die Inszenierung zu geistern…

Die Gebrochenheit dieser Gestalten, die mit komischer Verzweiflung um Anerkennung, Liebe, aber auch wirtschaftliche Konsolidierung kämpfen, zeigt Edith Koerbers Inszenierung ganz vorzüglich.«

Cord Beintmann
Esslinger Zeitung | 29.9.2003

Dunkle Leidenschaften gären

»Tobias Strobel gibt im ›Snob‹ den Sternheimschen Bürgerhelden Christian Maske überzeugend als schmierlappiges Muttersöhnchen mit pomadiertem Haar und pubertärem Oberlippenbärtchen…

Vorbei am aristokratisch geschulten Auge des Aufsichtsratsvorsitzenden Graf Aloysius Palen (brillant als distinguiert-gehemmtes Blaublut: Cornelius Nieden) heißt es das Objekt der Begierde erringen: Den Posten des Generaldirektors einer in den afrikanischen Kolonien operierenden Aktiengesellschaft. Ganz nebenbei lässt sich bei dieser Transaktion mit Palens höherer Tochter, der Komtesse Marianne, noch eine aufstiegsgemäße Gattin hinzugewinnen…

Entgegen aller adeligen Contenance und kleinbürgerlichen Biederkeit ist etwas faul im Staate Wilhelms II. Dunkle Leidenschaften gären hinter der ohnehin nur seidenmatt glänzenden gesellschaftlichen Fassade. Julia Bardosch spielt die Marianne wunderbar hysterisch. Selten sah man auf der Bühne jemanden so gekonnt notgeil ein Bonbon lutschen. Ihr Verhältnis zum Vater ist als inzestuös, das zum eigenen Körper auf weite Strecken als masturbatorisch zu bezeichnen. Ähnlich freudianisch zeichnet Edith Koerber auch die anderen Figuren. Latente Inzucht, infantile Regression und sexuelle Überspanntheit beherrschen Charaktere und Interaktionen der Personen. Unterstützt wird diese Interpretation von Sylvia Wankes Kostümen (wie herrlich phallisch sind doch Gehstöcke, Zigarren und Krawatten) und ihrem Bühnenbild: einem Wohnzimmer, das psychoanalytische Symbole mit pseudokolonialen Zitaten zeitgenössischer Einrichtungskultur verbindet.

Durch die Einführung von Carl Sternheim selbst als nicht im Stücktext stehende Autoren- und Regiefigur (gespielt von Martin Rother) verlängert Koerber die Inszenierung zudem ins Metadramatische und Biographische… Der tri-bühne ist eine unterhaltsame und thematisch konsequente Bühnenumsetzung des ›Snobs‹ gelungen.«

Albrecht Schächterle