»So richtig lustig war Lessings Lustspiel nie, die Geschichte vom verletzten und vermeintlich entehrten Kriegsheimkehrer Major von Tellheim, dessen Braut ihn erst überzeugen muss, dass er ihrer Liebe noch wert ist. Das bewerkstelligt jene Minna, eine für das Jahr 1767 ungewöhnlich selbstständige, starke Frau, durch ein so raffiniertes Spiel mit den Grundsätzen und Gefühlen ihres Verlobten, dass die Komödie immer ein wenig auf der Kippe zum Seelendrama steht – den entscheidenden Schubs gibt ihr nun Christine Gnann in ihrer Inszenierung in der Stuttgarter tri-bühne.
Von ein paar Nebenpersonen befreit und um einige Szenen gekürzt, auf pausenlose zwei Stunden verdichtet, spielt Lessings Stück in einer nüchternen Nachkriegswelt unserer Gegenwart. Genau wie die Entstehungszeit des Textes erscheint auch die militärische Vergangenheit seiner Protagonisten nur in winzigen Zitaten in den Kostümen von Renata Balogh… Die brusthohe, bühnenbreite Mauer, die Karin von Kries als einziges Bühnenbild um sich selbst rotieren lässt, bietet eine harte Holzbank und auf der anderen Seite ein rotes Brokatsofa, sie dient als Versteck, zum Balancieren oder um jemand damit brutal in die Ecke zu treiben…
Alle haben sich irgendwie arrangiert, nur Tellheim hält noch an den edlen Grundsätzen der Ehre fest. In Hosen und High Heels trifft eine moderne, kluge Frau (Anuschka Herbst spielt ihre Minna direkt, aufrecht und selbstbewusst) auf einen geschwächten Mann mit hoher, zu hoher Moral. So groß die Liebe war…, so raffiniert, ja zunehmend unheimlich ist nun das Spiel, das Minna mit ihrem Verlobten treibt. Sicher und ganz ohne Selbstmitleid ruht Tellheim zunächst in seiner Entschlossenheit, er ist der Welt bereits abhanden gekommen. Erst Minnas Werben bringt ihn aus dem Konzept und macht ihn durch die Erinnerung an früher unglücklich…
Minnas Verstellung bringt seine letzte Gewissheit ins Wanken und legt sein Kriegstrauma frei. Tellheim ist in seinem Innersten so stark beschädigt, dass er das liebevoll gemeinte Lügenspiel nicht mehr aushält… Dass die Inszenierung dem Lustspiel das Happy End verweigert, wirkt statt überraschend fast schon konsequent, so still und subtil hatte der beeindruckende Marcus Michalski das innere Dilemma des Majors, seinen verlorenen Seelenfrieden vor uns aufgeblättert. Lessing glaubte noch an die Utopie der Aufklärung und an den Sieg der Ethik; wir wissen es nach vielen, vielen Kriegen heute besser.«