Manchmal muss man hoch steigen, um tief zu fallen und zu einer Erkenntnis zu kommen. Urs Widmers 1997 erschienenes Stück »Top Dogs« führt das anhand einer Riege gefallener Wirtschaftsbosse vor, die sich nicht nur die Existenzfrage stellen, sondern auch ihre persönliche Sinnkrise lösen müssen. Im Theater tri-bühne hat nun der Ungar László Bagossy Widmers gut 100-minütiges Drama inszeniert. Der 44-Jährige führt seit einigen Jahren regelmäßig Regie an der tri-bühne und beweist dabei häufig seine hohe Kunst der Personenführung, sein geniales Spiel mit Ernst und Klamauk. »Top Dogs« bietet ihm dafür wiederum eine fantastische Plattform.
Eine Handvoll Topmanager bildet das Personal des Stücks. Ihnen allen wurde gekündigt, und sie stehen nun vor den Scherben ihres Lebens. Nicht nur der berufliche Erfolg mit Macht, Reichtum, Ansehen ist dahin. Auch das Privatleben hat merklich gelitten und die Identitätskrise ist bei allen deutlich spürbar. Hier werden Prototypen von Workaholics vorgeführt, die sich nahezu ausschließlich durch ihre Arbeit definiert haben, und jetzt nicht mehr wissen, wie sie ihr Leben gestalten sollen. Insofern erfüllt das Seminar, das sie bei der New Challenge Company absolvieren sollen, einen doppelten Effekt. Nicht nur, dass sie wieder fit gemacht werden sollen für den Arbeitsmarkt, sie sollen auch zu sich selbst finden.
Levente Bagossy, Bruder des Regisseurs, hat dafür ein ebenso simples wie geniales Bühnenbild erschaffen. Im Wesentlichen bleibt der Bühnenraum dunkel und leer, ein paar mobile Podeste, simple schwarze Sitzgelegenheiten und ein paar Ledersessel – das war’s. Gerade die Ledersessel erfüllen dabei eine doppelte Aufgabe. Zum einen sind sie Erinnerung an die Bequemlichkeiten des Führungspostens, andererseits dienen sie als Therapieplatz. Denn die Handvoll Sinnsuchenden werden in diesem »Outplacementcenter« mit einem Psychologen konfrontiert, der ihnen häufig zu nahe kommt, ihnen unter die schicken schwarzen Anzüge und grauen Businesskostüme (Renáta Balogh) schlüpft, sie zu allerlei Rollenspielen und selbsterkundenden, allerdings auch teilweise entwürdigend erscheinenden Aufgaben ermuntert. Und darin zeigt sich Bagossys Regiestärke. Er findet immer das richtige Inszenierungstempo, lässt beispielsweise in der ersten Szene den Figuren genug Zeit, in der für sie neuen Situation anzukommen. Die Verleugnung, aber auch das Bedrängtwerden der Personen kommen dabei zur Geltung, nur um wenige Minuten später in eine turbulente Massenszene zu münden, wenn sich alle Beteiligten in geradezu grotesker Sinnlosigkeit Anglizismen, Wirtschaftssprech und hohle Managementphrasen an den Kopf knallen…
Das tri-bühne-Ensemble erweist sich gerade in solchen Szenen als vorzüglich aufeinander abgestimmtes Bühnenteam, in dem die unterschiedlichen Charaktere voll zur Geltung kommen und einander gegenseitig zu Höchstleistungen anspornen. Mal grimassieren die sieben Darsteller um die Wette, verstecken sich hinter schwarzen Augenbinden oder machen sich auch mal zum Affen, wie Folkert Milster und Cornelius Nieden. Dann wieder fallen Dorothea Baltzer, Cathrin Zellmer und Marcus Michalski in den typischen Manager-Slang zurück und machen dabei deutlich, wie hilflos diese Figuren eigentlich sind, wie sehr sie sich hinter Worthülsen und aufgesetzten Haltungen und verflossenen Luxussymbolen wie dem neuen Sportwagen verstecken.
Der besondere Kniff dabei ist, dass alle abwechselnd in die Rolle des Psychologen schlüpfen, um den jeweils anderen »helfen« zu wollen, wobei diese Hilfe reichlich dürftig ist, wie sich immer deutlicher herausstellt. Zudem verschwimmt immer stärker die Grenze zwischen Klienten und Psychologen, und alles gipfelt in der Erkenntnis: »Business ist Krieg, Blut und Tränen!« Irgendwie gilt das auch für diese begeistert gefeierte Inszenierung, die einem ganzen Berufsstand, einer ganzen Bevölkerungsgruppe einen ziemlich großen Spiegel vor Augen hält.
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