Underdogs

Underdogs

von Stephen Crane und Stefan Kirchknopf |
Regie: Andor Lukáts

Frisch gebrühter Kastanienkaffee, explodierende Fernseher, Nervenstimulationen aus der Haushaltssteckdose, erschlagene Handwerker – »Underdogs« ist ein Stück, das ganz dem anarchischen Humor britischer Prägung verpflichtet ist. Die Underdogs, das sind Sieger und Atze, die zwei Bewohner einer skurrilen Männer-WG am Bodensatz unserer Gesellschaft, die sich mit aus der Flimmerkiste gespeisten Träumen über Wasser zu halten versuchen.

Wenn Sieger und Atze ihre WG-, Frauen- und Geldprobleme miteinander ausdiskutieren, dann sind die Argumente in der Regel schlagender Natur und blaue Augen das zwangsläufige Endergebnis. Die Lebensphilosophie, die über den beiden steht, lautet lapidar: »Du wirst geboren, Du ziehst den Kopf ein, und Du stirbst. Wenn Du Glück hast.«

Uraufführung am 14. Juli 2000.

Kritiken

Esslinger Zeitung | 18.7.2000

Doppelbödiges, spontanes Theatervergnügen

»Langweilig wird es dem Publikum nie, denn die beiden Schauspieler Wilhelm Schneck und Robert Atzlinger peitschen einander in dem dynamischen Stück lustvoll in die Katastrophe. Die Zimmerschlacht zweier asozialer Spinner, deren Uraufführung der ungarische Regisseur Andor Lukáts für das Theater tri-bühne inszeniert hat, birgt viel emotionalen Zündstoff. Und darüber hinaus sind die verbalen Gefechte der zwei einfach zum Brüllen komisch – eben Comedy pur.

In einer verkommenen Behausung sind die beiden zusammengepfercht. Aber anders als im Big-Brother-Container geht es bei diesem Spiel nicht um 250.000 Mark, und es sitzen sich auch keine abgeschleckten Schnösel la Jürgen oder Alex gegenüber. Für diese zwei Underdogs gibt es kein Entrinnen mehr, denn die Gesellschaft hat sie ausgekotzt…

Mit viel Fingerspitzengefühl lässt Regisseur Lukáts die beiden großartigen Komödianten auf des Messers Schneide balancieren. Nie sackt die dynamische Inszenierung in pure Blödelei vom TV-Comedy-Fließband ab, denn im manchmal allerletzten Moment lässt der Regisseur die nackte Verzweiflung aufflackern, die aus diesen beiden Menschen spricht…

Die gesammelten Gemeinheiten, die die zwei dem Publikum eineinhalb Stunden auftischen, lassen so manchen Lacher im Halse stecken bleiben. Diese Doppelbödigkeit macht den Reiz der Inszenierung aus, die ein spontanes Theatervergnügen ist…«

Elisabeth Maier
Stuttgarter Nachrichten | 17.7.2000

Das Leben ist ein Kreuzworträtsel

»Das Leben ist ein Kreuzworträtsel, und nichts passt rein. Nicht der ›Stuckateur‹ mit sechs Buchstaben, nicht der Kumpel, der ja Gipser ist (aber nicht mit dem gesuchten Fisch harmoniert), und schon gar nicht der ›Gipser‹. Der hätte zwar sechs Buchstaben, aber es geht doch um den Stuckateur.

Diese Sequenz ist noch die hintersinnigste in ›Underdogs‹, einer Vier-Personen-Comedy, die als Uraufführung im Stuttgarter Theater tri-bühne Premiere hatte.

Denn sie lässt ahnen, dass selbst ein Kreuzworträtsel viel zu anspruchsvoll ist für eine Gesellschaft, die es dank Fernsehen und anderer Ersatzbefriedigungen verlernt hat, mit Begriffen umzugehen…«

Hanna Mainzer
Stuttgarter Zeitung | 17.7.2000

Ganz einfach - dieses Theater macht Spaß

»Die Medizin behauptet neuerdings, dass, was die Entspannung von Körper, Geist und Seele betrifft, fünf Minuten Lachen einer Stunde Fitnesstraining gleichkomme. Bei neunzig Minuten Spielzeit, die ›Underdogs‹, ein Arrangement aus drei Sketches, braucht, die in der tri-bühne ablaufen, kommt der Zuschauer auf dreißig Minuten Lachen, erspart sich also sechs Stunden selbst verordnete Qual.

Gottlob sagt der Titel der Szenen… gar nichts. Die bedrückende Erwartung auf eine moralische Belehrung über die Benachteiligung der Benachteiligten erfüllt sich nicht. Man hat es nicht mit ›Underdogs‹ zu tun, sondern mit Dickköpfen, nicht mit Armen, sondern mit Narren…

Die Realität ist nur der Boden, den jeder, der da zuschaut, unter den Füßen hat und der durch kleine Sprachverschiebungen in ein leises Beben gebracht wird…

Die tri-bühne erlaubt sich, was im Theater, das in Deutschland seit je der Ort öffentlicher Sinnstiftung war, geradezu unsittlich ist: einfach einen Spaß.«

Hannelore Schlaffer
Südwestdeutscher Rundfunk | 15.7.2000

Existentialismus als Slapstick

»Warten. Zwei Underdogs warten – auf das Leben halt…

Nichts klappt. Der Selbstmord nicht. Das Essen nicht. Die Liebe nicht… Warten. Und spielen: Kreuzworträtsel… oder Schach. Ein Spiel, das ›Sieger‹ wie die Völkerschlacht bei Leipzig betreibt.

Sie sind ein großartiges Duo, dieser Wilhelm Schneck (›Sieger‹) und Robert ›Atze‹ Atzlinger. Herrlich komische Artisten, von Regisseur Lukáts zu Typen stilisiert, die sich lieben und hassen wie Laurel und Hardy. Oder wie Enkel der Sonny Boys, die warten auf – na ja, noch nicht Godot, bis Beckett ist’s weit, aber immerhin auf den Gasmann, der irgendwann kommen muss – und ihnen auf die Schliche…

Ein Stück, das Existentialismus als Slapstick betreibt und nicht mehr sein will, als neunzig Minuten lang höchst amüsant.«

Winfried Roesner